Editorial
Nichts zeugt so sehr vom Bankrott der Linken wie das, was
aus ihrem Rassismusbegriff geworden ist. Die Kritik des
Rassismus meinte einmal die Kritik jeder Borniertheit. Der
Rassismus wurde begriffen als Anschlag auf die Idee einer
befreiten Menscheit, die ihre Geschicke selbst in die Hand
nimmt und die Gesellschaft nach vernünftigen Maßstäben
einrichtet. Was heute unter "Antirassismus" verstanden wird,
ist genau das Gegenteil jener Kritik: Parteinahme für jede
mögliche Barbarei, wenn sie sich nur das Etikett
"selbstbestimmte Kultur" aufkleben kann. Die Hoffnung auf eine
Veränderbarkeit der Verhältnisse ist verschwunden, "links" sein
heißt, noch jede miese Tradition zu rechtfertigen. Den Islam zu
kritisieren soll rassistisch sein, weil nach den Vorstellungen
der "Antirassisten" Rassismus darin besteht, daß eine "Kultur"
(warum nicht gleich "Rasse?") die andere unterdrückt. Die
"Kulturen" selber werden als invariant vorgestellt, das
Gegenteil von "Rassismus" ist Ethnopluralismus, und wehe, einer
kritisiert diese Zoologisierung der Menschheit, dann ist er
(oder sie) ein mieser Eurozentrist, ein Imperialist und
Menschenfeind. "Antirassismus" heißt, den Menschen, die in
islamischen Ländern leben müssen, ins Gesicht zu spucken. Nach
Meinung der linken "Antirassisten" haben sie nichts anderes
verdient als den Islam.
Botschaften aus dem hessischen Urwald
Weil wir die islamische Barbarei kritisieren, hat eine
"Anarcha" dem
antisemitischen Internet-Stammtisch Indymedia gesteckt,
unser Flugblatt über Reinhard Kühnl sei "rassistisch". Sie
schmückt sich, dem völkisch-romantischen Helden der
mexikanischen EZLN zu Ehren, zusätzlich mit dem Pseudonym
"Subcommandanta Marca". Der Anarchismus hatte früher, trotz
Proudhon und Landauer, immer noch etwas von Kritik an Volk und
Staatlichkeit, aber auch das scheint verschwunden zu sein,
Anarchismus heißt jetzt selbstverwaltete Armut im Zeichen von
Blut und Boden. "Anarcha" weiß zu berichten, daß in dem
Flugblatt "Arafat mit dem palestinensischen Volk gleichgesetzt"
wird und "dessen angebliche Rufe nach einer Vernichtung Israels
zu einer generellen Rechtfertigung der Repressiven politik
Israels gemacht" werden. Das steht zwar irgendwie nicht drin,
aber macht ja nix, es hätte drin stehn können. Nicht nur Volk
und Führer werden von uns verleumdet, sondern auch die
autochtone Religion. Wir unterstellen "dem Koran [!], explizit
die Vernichtung Israels voranzutreiben". Eine besonders perfide
Untat. Dabei haben wir bloß Islamisten zitiert, die genau das
tun. Lesen müßte man können. "Anarcha" hat in
Gemeinschaftskunde aufgepaßt. Sie weiß, daß dem Islam immer
Unrecht getan wird. Damit hat sie es schon fast zum Mufti
gebracht und kann eine Fatwa präsentieren: "Der Dschihad
fordert aber lediglich einen Verteidigungskrieg ('So ihr
angegriffen werdet ... verfolgt eure Feinde')". Das sagt Osama
bin Laden auch immer. Der Krieg gegen die USA und Israel ist
eben ein "Verteidigungskrieg". Da kann "Anarcha" nur zustimmen,
und deshalb bezichtigt sie uns des schlimmsten Vergehens, das
sie sich vorstellen kann: "Gefordert wurde dann unter anderm
bedingungslose Solidarität mit Israel." Das hat sie sich
ausnahmsweise nicht ausgedacht. Seltsam, obwohl sie immer
schimpft, findet sie an dem Flugblatt fast alles "richtig und
gut". Sie will nur nicht sagen was.
Hauptsache, ein eigenes Haus!
Ein kleines Chiapas gibt es schon in Marburg. Eine
"kapitalismusfreie Zone" haben die Besetzerinnen der Wannkopfstraße
13 ausgerufen. Was man sich darunter vorstellen soll? Einen
Ort, an dem es keine Heizung und keinen Strom gibt, an dem aber
dafür jeder so frei von der Leber weg schwadronieren kann wie
er will, so frei, daß sich Antisemiten und andere
Menschenfeinde so richtig austoben können. Dort wird keiner
rausgeschmissen, wenn er von einer Weltverschwörung der
Illuminaten und Rothschilds phantasiert oder Legebatterien
Hühner-KZs nennt. Dort fängt man schon mal an mit der
kapitalistischen Elendsverwaltung, für die man die EZLN so
bewundert (1) , etwa in
Gestalt eines "Umsonstladens", in dem man endlich kostenlos an
Sperrmüll kommt. Toll, was der Kapitalismus so alles
abwirft!
Marburger Jungunternehmer mit pfiffiger Geschäftsidee
Eine weitere kapitalismusfreie Zone ist "Onkel Emma". Es
waren einmal ein paar Autonome, die überlegten sich, wie sie
nach dem Studium ihr Geld verdienen und trotzdem gut bleiben
könnten. So entstand die Idee vom "antifaschistischen
Gemüseladen", der so hieß, weil bekanntlich alles, was
Antifaschisten tun, irgendwie antifaschistisch ist. Das Projekt
scheiterte. Ein guter Werbegag, dachten sich andere, und
machten "Onkel Emma" auf. Erklärtes Ziel der guten Onkels ist
"die Ausschaltung des Zwischenhandels" und der Kampf gegen die
"Entfremdung" zwischen Konsumenten und Produzenten (2). Böse Zirkulation, gute
Produktion, so einfach ist das. Man braucht nicht erst
Horkheimer zu bemühen, um das antisemitische Schema
wiederzuerkennen (3). Der
Clou von "Onkel Emma" ist, daß es nicht einfach ein
Gemüseladen, sondern eine "Einkaufsgemeinschaft" ist, die wie
eine Buchgesellschaft funktioniert. Man kennt den Schwindel
islamischer Banken: Zinsen sind keine, wenn sie in Form einer
Gebühr eingetrieben werden. Genau diese verlogene Masche ist
der ultimative Werbetrick der Onkels. Das ist aber noch nicht
alles. Den Onkels gelang es, eine ganze Szene davon zu
überzeugen, daß sie nur noch bei ihnen kaufen darf, wenn sie
nicht daran schuld sein will, daß ein paar Autonome von
Sozialhilfe leben müssen und dem Staat auf der Tasche liegen.
Selbst die hartgesottensten Anarchos schluckten das sofort und
kauften fortan nur noch die teure Gesundheitskost von "Onkel
Emma". Das macht den Onkels so schnell keiner nach. Jeder
Supermarktbesitzer träumt von einer solch "persönlichen
Beziehung" ("Onkel Emma") der Kunden zum Geschäft, nicht nur
wegen des Umsatzes, sondern auch, wie die Onkels wissen, weil
unter dieser Voraussetzung "keine Verluste durch Diebstahl"
entstehen. Die Kundinnen ihrerseits sind begeistert, daß "Onkel
Emma" nicht ganz so teuer ist wie andere Naturkostläden und daß
sie etwas Gutes tun, indem sie "die Umwelt weniger belasten"
("Onkel Emma"). Nicht zu vergessen, daß die dort angebotenen
Produkte für eine irgendwie alternative Ökonomie stehen, denn
entscheidend ist nicht, daß Ware gegen Geld getauscht wird,
sondern der mystische Gebrauchswert "Bio", der den
Warencharakter des Produkts sofort zum Verschwinden bringt. Nur
aus einem Grund "hat noch kein Chemiker Tauschwert in Perle
oder Diamant entdeckt" (Marx): diese Substanz ist ein
Lebensmittelgift. Das versteht man wohl erst nach einer
Begegnung der dritten Art: "Neben dem Bereich der ökologischen
Landwirtschaft sowie dem Fairen Handel sind uns Themen wie
Gentechnologie, Esoterik und Anthroposophie begegnet"...
Islamisten und KFZ - Hand in Hand gegen Israel
"Wenn von diesem Zustand aber bekannt und erwiesen ist, daß
er Auschwitz implizierte, ist die Welt, die ihn hinnimmt, nicht
mehr dieselbe wie jene, die ihn duldete, als seine
Implikationen noch unvorstellbar waren. Die Welt, die nach
Auschwitz nicht ganz anders ist, ist eine, die Auschwitz bewußt
in Kauf nimmt", schreibt Wolfgang Pohrt in einem Aufsatz über
das Tagebuch aus dem KZ Bergen-Belsen von Hanna Lévi-Hass,
Vielleicht war das alles erst der Anfang. Zum stillschweigenden
Einverständnis gesellt sich die offene Abwehr aller Versuche,
an diesen Zustand zu rühren. So darf man die Reaktion des KFZ auf eine Anfrage
verstehen, ob es möglich sei, ihren Raum für eine Veranstaltung
mit dem Titel "Nazis und Islamisten - Hand in Hand gegen
Israel" zu mieten. Verdruckst und verlogen, aber zuletzt doch
seiner selbst bewußt, kommt hier das Paktieren mit der Barbarei
daher.
Das sei ein "heißes Thema", hieß es, als das Projekt der
versammelten KFZ-Riege vorgestellt wurde. Nur laue Themen
kommen für eine Veranstaltung im KFZ in Frage, denn in Marburg
"gibt es genug Leute, die eine andere Meinung haben", und die
dürfe man nicht verprellen. Da gibt es zum Beispiel den Verein
der arabischen Studierenden, auf dessen Demonstration in
Marburg am Hitlergeburtstag 2002 "Tod allen Israelis" gerufen
wurde. Dafür haben die KFZ-ler Verständnis, dazu wollen sie
sich "nicht inhaltlich äußern". Das wollen sie "differenziert
diskutieren". Ausgewogenheit ist das oberste Gebot, es müssen
um jeden Preis "beide Seiten zu Wort kommen". Wenn ein
Antifaschist auf dem Podium sitzt, muß man einen Faschisten
daneben setzen. Oder, wie Karl Kraus einmal beobachtete, wenn
"ein Semit" eingestellt wird, muß eben auch "ein Antisemit"
eingestellt werden. Das nennt man dann "Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit stärken". Ganz klar die bessere Alternative
zur Selbstverteidigung Israels gegen die erklärtermaßen zu
seiner Vernichtung bereiten Nachbarstaaten und bewaffneten
Banden, findet das KFZ. Wenn man schon darauf verzichtet, die
Auslöschung Israels und seiner Bewohner zu fordern, darf man
wenigstens nicht dulden, daß sie sich dagegen wehren.
Es seien ja schon einige "sehr gute Argumente" gegen die
Veranstaltung gefallen, lobte ein offenbar befehlsgewohnter
Kerl die ressentimentgeladene Menge, die schon
Ermüdungserscheinungen zeigte, und forderte, endlich zur Sache
zu kommen: "Weil wir hier alles im Konsens beschließen,
plädiere ich verschärft dafür, das zu lassen". Die Menge
verstand den Wink und legte nun erst richtig los. Der Titel der
Veranstaltung habe ihr die Haare zu Berge stehen lassen,
gestand eine der Wortführerinnen. "Nazis, Islamisten und Israel
darf man nicht in einem Atemzug nennen". Warum nicht?
"Differenzieren" ist Neudeutsch für relativieren und
vertuschen, und deshalb ist es hierzulande Ehrensache. Es geht
es nicht um Wahrheit, sondern um politische Opportunität. Die
Veranstaltung sei "höhnisch zu diesem Zeitpunkt". Sie könne
vielleicht irgendwann mal stattfinden, aber "nicht gerade
jetzt, wo ein arabisches Land angegriffen wird". Wenn ein Staat
in die Schußlinie gerät, der von einer Clique beherrscht wird,
die bei jeder Gelegenheit zur Vernichtung Israels und der Juden
aufruft, muß man Islamisten und Nazis decken. Sonst geraten
noch die anständigen Deutschen in Verdacht, die sich am 6.
Februar 2003 in Marburg zu einer "Friedensdemonstration"
zusammenrotteten, um sich, wie es gleich im ersten Redebeitrag
hieß, zum "deutschen Vaterland" zu bekennen. Im Haus des
Henkers darf nicht vom Strick gesprochen werden. Das kann man,
so die KFZ-Ethikexperten, "moralisch nicht vertreten".
Den Faschismus nicht den Rechten überlassen
Heutige Antizionisten könnten sich die Arbeit des
Formulierens erleichtern, wenn sie sich Friedrich Wilhelm Heinz
zum Vorbild nähmen, ein Mitglied der berüchtigten Marinebrigade
Ehrhardt, die schon 1919 ihre Helme mit Hakenkreuzen
bepinselte. Sie bräuchten nur einige wenige Wörter
auszuwechseln, und schon wären längere Passagen aus seinem Buch
Die Nation greift an, Berlin 1933, tauglich zur
Veröffentlichung in der jungen Welt: Wer aber die
Kapitulation von Versailles in ihrer antisozialistischen und
imperialistischen Bedeutung erkannt hatte, dem durfte die
Unterwerfung unter das Diktat der Feinde nur zum Mittel werden,
um Zeit zu gewinnen. Der Sieg des französischen Chauvinismus
und der Triumph des angelsächsischen Imperialismus konnten
nicht rückgängig gemacht oder aufgehoben werden durch eine zu
gewinnsüchtigen Zwecken vorgenommene Verlagerung der deutschen
Machtverhältnisse. Der Befreiungskampf gegen den Westen ließ
sich nur durch eine neue politische Idee, welche die Sache der
Nation zu einer Sache des Volkes macht, vorbereiten.
Ersetze "Versailles" durch "Oslo", "französischen Chauvinismus"
durch "israelischen Chauvinismus" und "deutsche
Machtverhältnisse" durch "palästinensische Machtverhältnisse" -
fertig ist das Antiimp-Flugblatt. Genau das, was vor 70 Jahren
Faschisten von sich gaben, die sich auch als solche
bezeichneten, gilt heute nicht nur als links, sondern geradezu
als Inbegriff des Linken. Schuld an der Verwechslung von Rechts
und Links sind diejenigen Sozialisten, die schon damals den
"nationalen Nihilismus des kosmopolitischen Aufklärertums"
verdammten und sich dem Kampf der "Völker" gegen "den
Imperialismus" verschrieben - wie beispielsweise der spätere
Marburger Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth, bekannt
wegen seiner politischen Aktionen gegen den
Nationalsozialismus. Die Nachplapperer von heute wollen nicht
mehr, wie Abendroth Ende der 20er Jahre, mit Faschisten
zusammenarbeiten (siehe
Seite 13), sondern beschweren sich, daß die Nazis "linke
Inhalte" geklaut hätten. Die Linke hat das Copyright auf den
Faschismus, basta!
Licht aus!
Dann gibt es noch ein paar Oberschlaue, die erklären, daß
man nicht für die Aufklärung sein könne, weil die ja
bekanntlich zum modernen Antisemitismus führe. Horkheimer und
Adorno drehen sich im Grabe um, aber was soll's, sie können
sich ja nicht mehr wehren. Die Vertreterinnen dieser
interessiert einfachen Sichtweise können offenbar auch nicht
lesen, sonst wäre ihnen wohl aufgefallen, daß in Dialektik
der Aufklärung keineswegs dazu aufgefordert wird, die
Aufklärung auf den Müll zu schmeißen. Der Umschlag von
Zivilisation in Barbarei wird gerade NICHT als unabänderlich
hingenommen, sondern soll - soweit das nach Auschwitz noch
möglich ist - durch die Besinnung der Aufklärung auf sich
selbst, zu der Dialektik der Aufklärung ein Beitrag ist,
ABGEWENDET werden. In Horkheimers und Adornos eigenen Worten:
"Die dabei an Aufklärung geübte Kritik soll einen positiven
Begriff von ihr vorbereiten, der sie aus ihrer Verstrickung in
blinder Herrschaft löst" (Dialektik der Aufklärung, Frankfurt
1998, S. 6). Die Rede von der angeblich zwangsläufigen
Selbstzerstörung der Zivilisation entspringt genau dem
aufgeklärten Fatalismus, der in Dialektik der Aufklärung
kritisiert wird. Wer von der Katastrophe nur redet, um sie als
unvermeidlich abzufeiern, muß wohl auch die kalte
Gleichgültigkeit gegenüber Israel an den Tag legen, die für
diese Sorte linker Seminaristen typisch ist.
Keinen Bock auf Islam
Zum Glück sind nicht alle so blöd wie die deutschen Linken.
Die Bewohnerinnen und Bewohner des Iran haben genug von der
islamischen Republik. Sie gehen nicht mehr in die Moschee,
sondern machen lieber Party. Die Frauen manipulieren die
Kleidervorschriften, wo es nur geht. Sie lassen so viel wie
möglich von ihrem Körper und ihren Haaren frei, ohne daß es zur
Verhaftung führen kann. Das Kopftuch wird immer kleiner und
soll weit hinten am Kopf sitzen. Mädchen reißen von zu Hause
aus, einige verkleiden sich als Jungs, manche ziehen selbst die
Prostitution dem verhaßten Tschador vor. Die Jugendlichen gehen
auf die Straßen und rufen "Nieder mit der islamischen
Republik!" und "Referendum, Referendum!". Sie fordern eine
säkulare Demokratie. Um die islamische Führungsriege zu ärgern,
haben sie eine Parole erfunden, die scheinbar auf die
afghanisch-pakistanischen Taliban gemünzt ist, aber die
iranischen Mullahs meint: "Nieder mit den Taliban, in Kabul und
Teheran!" (Taliban = Koranschüler). Solche und ähnliche Sprüche
zogen bisher immer Gefängnis und Folter nach sich, werden aber
jetzt so oft gerufen, daß die Regierung dagegen nicht mehr viel
ausrichten kann. Lehrer fordern die Rückkehr der Kolleginnen
und Kollegen, die aus politischen Gründen entlassen wurden.
Streiks, Straßenblockaden und Arbeiterdemonstrationen häufen
sich, Ende 2001 kam es zu blutigen Straßenschlachten mit den
Sicherheitskräften, Polizeistationen und Regierungsgebäude
wurden angegriffen. Die iranischen Arbeiter haben es satt, von
einem Hungerlohn zu leben und monatelang überhaupt keine Löhne
ausgezahlt zu bekommen. Es ist ihnen zuwider, daß der 1. Mai
eine Jubelfeier für die islamische Republik ist, auf der die
nationale Einheit von Arbeit und Kapital beschworen wird;
deshalb boykottieren sie zunehmend die Kundgebungen von Khaneh
Kargar, der staatlichen Arbeiterorganisation, und organisieren
ihre eigenen. In Isfahan störten Arbeiterinnen und Arbeiter im
Mai 2001 die offizielle Zeremonie, forderten die monatelang
nicht gezahlten Löhne ein, attackierten das Podium und
zerstörten es und zogen dann in einer Demonstration vor die
städtische Verwaltung.
Die Mullahs bekommen langsam weiche Knie, weil sie die
Gesellschaft nicht mehr hinter sich haben. Sogar die Kinder der
islamistischen Führungsriege halten es im Iran nicht mehr aus
und fliehen in die USA. Die Mullahs befürchten, daß es
demnächst im Iran überhaupt keinen Islam mehr geben wird. Die
Drohung mit Schlägerbanden wie Basiji, Pasdaran und Hizbollah,
die als Bürgerkriegsarmeen gegen die Protestbewegung eingesetzt
werden, bringt die Bevölkerung nur noch mehr gegen die
Regierung auf. Die "Reformer" werden inzwischen genauso
verachtet wie die "Konservativen". Selbst die Festnahme von
Demonstrantinnen und Demonstranten nützt dem Regime nicht mehr
viel: die Gefängnisse sind zu Schulen der politischen Bildung
geworden. Die Versuche der Regierung, Israel und die USA für
die Krise verantwortlich zu machen, greifen immer weniger: eine
der Forderungen der Studentenbewegung ist die Beendung der
bedingungslosen Unterstützung für die Palästinenser
(Handelsblatt, 10. 7. 02). Ein beliebter Slogan lautet:
"Hört auf von Palästina zu reden, denkt an uns!" Hier und da
gibt es Aktionen gegen den regierungsoffiziellen Antizionismus:
das Student Movement Committee for Democracy in Iran
rief Ende 2002 mehrfach zum Boykott antizionistischer
Veranstaltungen auf und forderte die Anerkennung des Staates
Israel. Der Sturz der islamischen Republik scheint nur noch
eine Frage der Zeit zu sein.
Was sagen die deutschen Linken zu dieser Kulturrevolution im
Iran? Organisieren sie Solidaritätskundgebungen? Schreiben sie
Flugblätter, in denen sie dazu auffordern, es den Iranern
nachzutun? Weit gefehlt. Beredtes Schweigen macht sich breit.
Warum die deutschen Linken die Solidarität verweigern, ist
nicht schwer zu erraten. T. Selec von der Arbeiterkommunistischen Partei
Irans trifft den Nagel auf den Kopf:
Ganz simpel: Der bürgerliche Mainstream denkt und
argumentiert in nationalen und völkischen Kollektiven, also tut
es die Mehrheit der Globalisierungs- und Friedensbewegten und
der Linken eben auch. Deutsche Bullen helfen gerade in Kabul
mit, so eine Art afghanische Pasdaran wieder mit aufzubauen,
damit Frauen, die andere Lebensvorstellungen als die
"islamischen Gesetze" haben, ausgepeitscht werden, was laut
Berlin zu ihrer "Kultur und Tradition gehört". "Kultur,
Tradition, Volk" sind auch in der Mehrzahl der linken
Publikationen - und gerade jetzt in Hinblick auf einen
drohenden Irakkrieg - heißgeliebte Begriffe. Man mag sich nicht
von der Hamas distanzieren, denn sie kämpfen für ihr "Volk",
Selbstmordattentate und Zwangsverschleierung der Frauen sind
ihre "Kultur und Tradition", genauso wie es angeblich zur
selbstgewählten "Tradition und Kultur" des "persischen Volkes"
gehört, in faschistischer Unterdrückung und Diktatur leben zu
müssen, was aber alles aus der Ferne betrachtet noch ganz lieb
erscheint, denn es ist ja irgendwie "antiimperialistisch". Nur
Bush und deutsche Bullen in Hamburg sind wirklich böse.
Eine säkulare Bewegung im Nahen Osten, die eindeutig
unislamisch ist, ist klar gegen die Interessen der Regierung
der BRD, und sie sprengt die Hirne der Mehrheit der deutschen
Linken, die sich darin eingerichtet hat, daß nur Bush "Nationen
und Völker" in Nahost bedroht und unterjocht. Es scheint viele
deutsche Linke eindeutig zu überfordern, dass z.B. im Iran
MENSCHEN frei und ohne Angst und ohne islamische Barbarei leben
wollen, und kein "Volk" einen "nationalen Befreiungskampf"
gegen die USA führt.
Finstere Antiimps mit ihrem geistigen Schulterschluß mit den
Islamisten und Nazis sind letztendlich eine Nischensekte, aber
die Grundlagen ihres Denkens und die allgemeine hiesige
Akzeptanz für islamische Faschisten bilden den Mainstream von
bürgerlich bis globalisierungsbewegt. "Nation", "Volk" und
"Kultur" rules, und in diesen Tagen ganz besonders.
|
Eine Revolte gegen den Islam paßt einfach nicht in das
Weltbild von Leuten, die für Schröder und Saddam Hussein auf
die Straße gehen und Aufklärung unter "Eurozentrismus"
abbuchen. Wenn die islamische Republik stürzt, werden sie schön
dumm gucken.
Antisemitismus als Studienfach
Dumm geguckt haben vermutlich auch Maria Sporrer und
Reinhard Kühnl, als sie die Flugblätter über ihre gemeinsam
verbrochene Veranstaltung "Das Problem Israel" zu Gesicht
bekamen. Da uns die Kritik, die wir im Vorfeld geleistet
hatten, im Nachhinein doch ein wenig zu harmlos erschien, legen
wir jetzt noch eins drauf. Sporrer darf jetzt endlich auch
einen Artikel über sich und ihr
garantiert pluralistisches Seminar lesen, und Intifada-Kühnl
bekommt in einer Polemik gegen
seinen Auftritt und in einer überarbeiteten Fassung des Flugblatts
"Das Problem Kühnl" seine Assoziationsketten Menschenrechte =
Demokratie = Sozialismus = Volksgemeinschaft =
Völkergemeinschaft = gut und Konkurrenz = Kapitalismus =
Imperialismus = Faschismus = USA = Israel = böse
auseinandergenommen. Adorno wird
erklären, was es damit auf sich hat, wenn von einem
"jüdischen Problem" die Rede ist. Dazu gibt es das Faksimile eines hundertprozentig
authentischen Originaldokuments aus dem Seminarordner, das
bezeugt, wie es in Frau Sporrer gedacht hat, als sie einmal
"jüdische Texte, von jüdischen Menschen geschrieben unter der
tödlichen Bedrohung jüdische Texte" vorgelesen haben wollte.
"Es gibt wunderbare Literatur" über Auschwitz, schwärmte
Sporrer, und freute sich schon auf den ästhetischen Genuß. Jean
Améry mochte sie nicht hören: der Textvortrag wurde vorzeitig
abgebrochen. Es handelte sich nämlich um eine Kritik des Antizionismus, und
den wollte sie sich nicht vermiesen lassen. Frau Sporrer hat
nichts gegen Juden, sie hat auch nichts gegen "jüdische Texte
jüdischer Menschen" - solange sie das Lernziel Antizionismus
nicht in Gefahr bringen.
Berichte aus der national befreiten Zone
Damit "Anarcha" zukünftig nicht mehr behaupten kann, die
Aufrufe von Arafat und seiner Autonomiebehörde zur Vernichtung
Israels seien nur "angebliche", findet sich in diesem Heft auch
ein Interview mit Itamar Marcus
von Palestinian Media
Watch, einer Organisation, die Reden von palästinensischen
Politikern, Fernsehsendungen und andere Äußerungen aus der
palästinensischen Gesellschaft übersetzt. Mag "Anarcha" sehn,
wie sie damit zurecht kommt.
Wer noch einen Funken Verstand hat, aber von den
Verhältnissen in den palästinensischen Gebieten nur das weiß,
was gewöhnlich in deutschen Zeitungen steht, dem können die
Berichte von Palestinian Media Watch und ähnlichen
Organisationen vielleicht begreiflich machen, womit sich
Freunde, Bekannte, Eltern und überhaupt fast alle
solidarisieren. Wenn den Gestalten aus der Marburger Szene hier
mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als sie eigentlich
verdienen, dann deshalb, weil sie ein weit verbreitetes Denken
in besonders zugespitzter Form vertreten. Sie stehen
stellvertretend für alle sich links oder fortschrittlich
gebenden Ignoranten, Vorkämpfer der Entbehrung und
Sympathisanten der Barbarei. Antisemitismus und Dummheit sind
eine mächtige Allianz eingegangen. Aber vielleicht ist es noch
nicht zu spät, etwas dagegen zu unternehmen.
kosmopolitbüro
(1) Die EZLN betreibt in
den von ihr kontrollierten Dörfern Kommunikationszentren mit
Schulen, Gemeinschaftsküchen usw., Einrichtungen, die, wie
Subcommandante Marcos zugibt, die Krise nicht beheben können.
Während die EZLN trotz ihres völkischen Unfugs von "indigener
Kultur", "Heimat", "Vaterland" und vom "Ausverkauf der Nation
an das ausländische Kapital" immerhin das Elend in Chiapas als
Zumutung begreift, können sich die Marburger Zapatistas gar
nichts Schöneres vorstellen als bäuerliche Subsistenz und
selbstverwaltete Armut - auf daß sie endlich einmal zu
"gemeinnütziger Arbeit" (Selbstdarstellung
der Hausbesetzer) herangezogen werden.
(2) Diese und die
folgenden Zitate sind der Selbstdarstellung
von "Onkel Emma" entnommen, die anläßlich der Eröffnung
verteilt wurde.
(3) Horkeimer zu lesen
kann andererseits auch nicht schaden. In seinem Aufsatz "Die
Juden und Europa", in dem er der Entwicklung des liberalen
Kapitalismus zum Faschismus nachgeht, beschäftigt er sich u. a.
mit der Ausschaltung des Zwischenhandels: "Der neue
Antisemitismus ist der Sendbote der totalitären Ordnung, zu der
die liberalistische sich entwickelt hat. [...] Die Vermittlung
wird jetzt abgeschafft. [...] Die Sphäre, die für das Schicksal
der Juden in doppelter Weise bestimmend war, als der Ort ihres
Erwerbs und als das Fundament der bürgerlichen Demokratie: die
Sphäre der Zirkulation verliert ihre ökonomische
Bedeutung."
|