Der Ausdruck "Problem", dem Bereich der Wissenschaft
entnommen, wird dazu benutzt, den Anschein eindringlicher und
verantwortlicher Überlegung hervorzurufen. Wer auf ein
"Problem" hinweist, behauptet implizit persönliche Distanz vom
fraglichen Gegenstand, gibt Objektivität vor. Das ist eine
ausgezeichnete Rationalisierung für Vorurteile, denn es wird
der Eindruck erweckt, als sei die eigene Haltung nicht
subjektiv motiviert, sondern das Ergebnis angestrengten
Nachdenkens und gereifter Erfahrung. [...] Sobald die Existenz
eines "jüdischen Problems" zugestanden wird, hat der
Antisemitismus seinen ersten Sieg erschlichen; ermöglicht durch
die äquivoke Natur des Ausdrucks, der sowohl einen Gegenstand
neutraler Analyse als auch, wie der alltägliche Gebrauch des
Wortes "problematisch" für eine dubiose Sache andeutet, etwas
Negatives bezeichnen kann. [...] Während der Anschein der
Objektivität gewahrt bleibt, wird stillschweigend unterstellt,
daß die Juden das Problem sind, und zwar ein Problem für die
übrige Gesellschaft. Es ist nur ein Schritt von diesem
Standpunkt zu der Ansicht, daß dieses Problem - seinen eignenen
speziellen Erfordernissen, also der problematischen Natur der
Juden gemäß - behandelt werden muß, und das dies
selbstverständlich die Grenzen demokratischen Verfahrens
überschreiten wird. Überdies verlangt das "Problem" nach einer
Lösung, und sobald die Juden selbst als dieses Problem
abgestempelt sind, werden sie zu Objekten, nicht nur für
"Richter" mit höheren Einsichten, sondern auch für die
Vollzieher einer Aktion.
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